I want you!

To join the Nachtwache!

Ich dachte mir, ich berichte einfach mal von den Gegebenheiten, dem Ablauf, dem Feeling „Flüchtlings Nachtwache“ in der St. Pauli Kirche. Eine oft gehörte Frage in den letzten Tagen war nämlich: „Was macht man denn da eigentlich?“

Fangen wir aber vorne an.

Am Mittwoch gab es über die FCSP-Fanszene zum ersten Mal harte Fakten, wie man einsteigen kann, wenn man helfen will, nämlich sinngemäß „Kommt um 21h Uhr her, dann gibts die Einteilung“.

Ich bin dann also nachmittags mal zur Kirche gegangen, um mir das anzusehen. Die „Embassy Of Hope“ fällt direkt ins Auge. Das sind 2 Pavillions im Kirchgarten an der Seite Antonistraße, betrieben von den Flüchtlingen selber. Mit denen hab ich mich dann ein paar Minuten unterhalten und wurde letztendlich an jemand „offiziellen“ verwiesen, von denen aber gerade keiner zugegen war. Also auf die Bank gesetzt, eine geraucht und das Treiben beobachtet.

Drei Meter vor mir lief Raggae und es wurden Plakate für die gestrige Demo gemalt, von Flüchtlingen und sagen wir mal Einheimischen.
Irgendwann hat sich dann ein Mann in St. Pauli Trikot neben mich gesetzt, der in puncto Frisur und Bart direkt aus den 70ern hätte entsprungen sein können. Nach ein paar Minuten Gespräch stellte sich heraus, dass es der Küster der Kirche war. Ich hatte meinen „Offiziellen“ gefunden.

Begeistert von meinem Vorhaben, mal eine Nachtwache zu übernehmen, wurde ich auf 21h verwiesen, dann war allgemeine Besprechung in der Kirche.
Das gab mir die Gelegenheit (21h war noch 2h hin) noch ein Bier um die Ecke zu trinken – man kann ja auch nicht aus seiner Haut.

Aus Angst direkt be- oder angetrunken aufzutauchen blieb’s aber bei 2 Weizen und ner Cola. Spontan rekrutierte Mithilfe war auch schon auf dem Weg. Immerhin hatte ich den Plan direkt eine Nachtwache zu übernehmen, das würde auch arbeitsmäßig perfekt passen (Donnerstag frei).

So war ich dann um 21h inner Kirche und wurde in die Geheimnisse der zukünftigen Nachtwachen-Planung und die örtlichen Gegebenheiten eingeweiht. Wo geht das Licht aus? Wo sind die Schlüssel? Welchen Türen sollen über Nacht offen, welche verschlossen bleiben? Wo stehen Getränke, wo Essen? Und nicht zuletzt: Wie funktioniert der Geschirrsprüler? 😉

Ganz allgemein zur Erklärung „Was muss dann da machen?“:
Im Prinzip gibts nur ein paar festgelegte Punkte. Zum Beispiel irgendwann das Licht im Innernraum dimmen, irgendwann ganz ausschalten, Tore und Türen – außer dem Haupteingang – abschließen, eventuell auftauchende Presse oder Vertreter der Exekutiven erstmal am Zutritt zur Kirche hindern und allgemein aufpassen, dass sich da keine Unbefugten herum treiben.
Außerdem ist im Innenraum ein ständiges Büffet aufgebaut, das ebenfalls unterhalten werden will (verderbliche Sachen irgendwann in Kühlschrank stellen, allgemein für Nachschub sorgen, usw).

Man ist die meiste Zeit eigentlich nur ein (ortskundiger) Ansprechpartner, falls was sein sollte.

Nach jetzt insgesamt 2x Nachtwache gab es dann noch:

Wo finde ich Bettzeug (Decke, Kissen, etc.)?
Wo ist hier ein Kiosk?
Die Milch ist alle.
Kann ich irgendwo mein Handy aufladen?
Darf ich hier schlafen, muss ich mich in eine Liste eintragen?
Ist da Fleisch in der Suppe? Wenn ja, welches?
Habt ihr noch Handtücher und Duschgel?

Und eine Million anderer Dinge, an die man im Vorwege nicht denkt. In einigen Fällen muss man jemand anders Fragen, bei anderen muss man suchen, bei wieder anderen ist Improvisation gefragt.
Gestern hatte ich z.B. sowas banales wie „Habt ihr Salz?“. Der Mann hätte seine Suppe gerne salziger gehabt, und wendet sich natürlich an den Nächststehenden, in diesem Falle mich.
Ein Auszug meiner Gedankengänge:

Gute Frage. Salz haste hier noch nie gesehen. Scheisse, wo könnte das in diesem Chaos denn sein?
*Blick über den Tisch*
*einsilbiges Lachen* „Uhm, yeah, I really don’t know. I’ll have a look, gimme a sec.“
In der Küche.
„Ham wir irgendwo Salz?“ – „Äh, keine Ahnung.“
*Schränke durchsuch*
„Ah, hier, beim Besteck! Das is ja auch eine sinnvolle Stelle um Salz abzustellen.“
„I got it! Here you go.“ – „Thanks, man.“

So läuft das dann ab.
Man ist Nanny, Hausmeister (ein Klo is immernoch verstopft), Helfer. Was eben anfällt. Unmöglich das komplett vorherzusagen. Ein bißchen Improvisations-Talent und gute Laune, dann läuft der Laden schon.

Trotz allem, sind die Menschen da nämlich unglaublich freundlich und gut gelaunt. Spektakulär.

Aber zur Nachtwache selber:

Der Ablauf einer Wache könnte wie folgt aussehen – eine Mischung aus den beiden von mir bisher in der Kirche verbrachten Nächte:

Offizieller Beginn 21:00 Uhr, Ablöse gegen 07:30h am nächsten Morgen von der „Frühstücksschicht“.
Ankunft etwa 20:30h, kurzer Schnack mit dem Küster bzw. anderer Helfer vor Ort, wie der aktuelle Stand so aussieht. Muss irgendwas dringend noch gemacht werden? Was hat sich seit dem letzten Mal geändert?
Schlüsselübergabe
Abendessen aufbauen, was halt da ist, Improvisation und so
Kleinere Anfragen zwischendurch beantworten (siehe oben)
Verderbliche Sachen wieder wegpacken
Licht schonmal ne Stufe dimmen – sozusagen das Zeichen für „Es gibt schon Leute die schlafen wollen, schreit nicht mehr so rum.“
Tore und Türen abschließen – außer dem Hauptportal
Licht ausschalten (hier sind wir schon zwischen 1 und 2 Uhr)
Je nach Besetzungsstärke der Nachtwache mal aushandeln wer wann schlafen will
Zeit totschlagen
Vll mal den ein oder anderen „Kontrollgang“ übers Gelände machen
Leiser Hinweis, dass er in der Kirche nicht rauchen darf
„Alter, wasn das fürn riesiger Schlüssel?“
Betrunkene freundlich darauf hinweisen, dass das nicht so cool ist, dass sie jetzt im Kirchgarten chillen
Mit lautem Räuspern eine Frau daran erinnern, dass der Zaun aus einem bestimmten Grund da ist, und der Kirchgarten kein riesiges Klo ist
Ankunft Frühschicht, Schlüsselübergabe, Abfahrt, Schlafen

Nicht unerwähnt lassen darf man die sprichwörtlichen Berge an Spenden, die in den letzten Tagen in der Kirche ankamen. Gestern z.B. haben 3 Leute den ganzen Tag lang versucht, Herr über die Klamotten, Schlafsäcke, Isomatten, Duschgels, Rasierschaum, Zahnbürsten usw. zu werden. Und sie haben es nicht komplett geschafft. Ein Drittel liegt immernoch unsortiert rum.

Die Speisekammer platzt aus allen Nähten. Es gibt quasi nur einen schmalen Gang, durch den man sich an den Dutzenden Kisten Viva Con Aqua, Fritz Limo & Cola, Apfelsaft usw. vorbeizwängen kann. Der Tisch steht voll mit Zucker, Nudeln, ich weiß nicht wie vielen Litern Milch und kiloweise Kaffee.

Zusätzlich sieht die Kirche tagsüber aus wie ein St. Pauli Trainingslager. Durch die Kleider-Spenden des Vereins rennt die Hälfte in FCSP T-Shirts und Jacken durch die Gegend.

Die Spendenbereitschaft ist enorm, und jeden Tag kommt Nachschub. Abends spenden umliegende Restaurants mal Suppe, mal Reis, mal beides.
Die Kirche mutiert immer mehr zu einem riesigen Lager, in dem einige ehrenamtliche Helfer gegen das Chaos ankämpfen, und versuchen den Überblick zu bewahren.

Und genau da kommt ihr ins Spiel.

Auch wenn ihr nachmittags nach der Arbeit mal 2-3h Zeit übrig habt, wird eure Hilfe dankend angenommen.
Der Einstieg ist denkbar einfach: Hingehen, jemand anquatschen und bevor ihr wisst wie euch geschieht, seid ihr dabei und sortiert Spenden, kocht Kaffee oder macht sonstwas. Zu tun gibts eigentlich fast immer was.

Nachtwachen sind natürlich nen anderer Schnack und für viele wird das während der Woche alleine schon wegen dem Beruf schwierig sein. Vollkommen klar. Trotzdem wird die Hilfe gebraucht und jeder mit Kusshand empfangen. Ist auch alles kein Hexenwerk, wie ich hoffentlich deutlich machen konnte.

Bei Fragen könnt ihr euch vertrauensvoll an uns wenden oder an einen der anderen involvierten Fanclubs, z.B. die Alte Schule oder die Eskimo Punx. Oder eben einfach mal vorbei schauen und sich selber ein Bild machen. Es ist immer einer da.

Also dann, vielleicht sehen wir uns dann ja schon Di auf Mi zur Nachtwache. 😉

P.S.: Wenn ihr englisch oder französisch sprecht, wäre das ideal!

P.P.S.: Im Nachgang noch ein paar Bilder, mit dem Handy gemacht, ich will also nix über die Qualität hören. 😉

Gruß und Kuss,

Basti

Eine Spende die als "unpassend" aussortiert wurde.

Eine Spende die als „unpassend“ aussortiert wurde.

Eine Absperrband-Spende.

Eine Absperrband-Spende.

Schlafen muss auch mal sein.

Schlafen muss auch mal sein.

Keine Nachtschicht ohne dieses Wundermittel wäre denkbar.

Keine Nachtschicht ohne dieses Wundermittel wäre denkbar.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich da eigentlich nicht hin durfte. 1/2

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich da eigentlich nicht hin durfte. 1/2

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich da eigentlich nicht hin durfte. 2/2

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich da eigentlich nicht hin durfte. 2/2

Die Ablöse naht.

Die Ablöse naht.

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7 Gedanken zu „I want you!

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